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Arsen
Hardcover
320 Seiten; 27 mm x 178 mm
Sprache Deutsch
1. Auflage
2023 Leykam
ISBN 978-3-7011-8289-3

Besprechung

»Lifestyle in den Bergen«Arndorf liegt in den Bergen. Ein Sehnsuchtsort in einer Sehnsuchtslandschaft. Die Menschen darin haben Ideen vom perfekten Leben und der perfekten Gemeinschaft. Aber sobald sie nach der Utopie greifen, entgleitet sie ihnen. Gleich dem Arsen, das unter Arndorf vorkommt: ein Produkt aus den Tiefen der Berge. Berüchtigt und sagenumwo-ben ist dieser Stoff wie die Berge selbst. Und er zieht sie alle an: die Authentizitäts-Freaks, die vom Bergleben wie in früheren Zeiten träumen und Tourist*innen zur Arsen-Mine fuhren, die Esoteriker*innen, die Achtsamkeit in Form von Arsen-Seife und Heil-steinen im örtlichen Souvenirshop verkaufen, und die Influencer*innen, die Arsen-Pigmente per Multilevel-Marketing und Online-Events präsentieren. Maria Hofer ist ein wilder, sprachlich herausragender Text gelungen, der in Serpentinen den Berg einwickelt und allmählich verschlingt. Sie sticht hinein in die Sehnsucht ihrer Figuren. Gibt es »das gute Leben am Land« oder ist am Ende alles nur Marketing?Für »Arsen« erhielt sie den Literaturpreis »Schreiberei« der Steiermärkische Sparkasse 2023.

Textauszug

Auszug aus "Arsen" - © Leykam Verlag, unredigierte Leseprobe1.Androgyne Bauern mähen im Steilhang, teils sind sie hochbetagt. Boten in bunter, bedeutungsloser Kleidung bringen traditionelle Bauernkrapfen an den Feldrand. Diese Krapfen sehen aus wie Doughnuts, nur haben sie kein Loch, sondern eine dünne, knusprige Teigschicht zieht sich zwischen den wulstigen, fettigen Rändern. Es schaut aus wie ein größeres, essbares Diaphragma. Es war traditionell das Essen der Feldarbeiter. Normalerweise mit Salat oder Zucker kombiniert. Es bestehen hier einige aber auf die Kombination aus beidem, wollen den Krapfen mit Salat UND Zucker essen. Weil sie glauben, das hat man früher so gemacht. Aus Brauchtumsgründen, die sie auf den Elektrolythaushalt zurückführen. Die Sonne summt im Kopf, man mäht konzentriert, pragmatisch und ist dabei kurz vor der Ohnmacht. Die eigene Bewegung hat nur für kurze Zeit Einfluss auf das Feld. Der Staub auf der Straße lässt einen hinuntergefallenen Schweißtropfen ermatten, wie eine halbe, staubige Seifenblase versinkt er im Grund. Man hört kein Vogerl pfeifen, sondern nur die Sensen, wie sie sich schubweise durchs Gras knuspern. Ein junger Feldarbeiter widersetzt sich dem Rhythmus und greift in seine Westentasche. Ein älterer Arbeiter schaut ihn an und sieht, wie er eine kleine Dose herausnimmt und sich zwei winzige gelbliche Krümel daraus auf den Bauernkrapfen legt. Nach dem Essen mäht und mäht er. Sein Kopf ist rot und sein Filzhut ist grün. Er mäht in diesen weihnachtlichen Farben bis spät in die Dämmerung ohne einen Schluck Wasser zu trinken. Jede Schleifbewegung entschärft eine aufkommende Assoziation mit der alten Welt. Immer und immer wieder. Jeder Zug eine Erinnerung weniger. Es ist wie ein Schlachten, nur muss man es sanft machen, und mit Gefühl, sonst wird die Klinge stumpf.Obwohl alle die Felder in Arndorf mähen können, in Arndorf herumsteigen können, sich überall deppert einmischen können, irgendwelche Aktivitäten und Initiativen starten können, die Almluft fetischisieren können und sich an den Bergen dort aufgeilen können, steht Arndorf nicht einmal im Grundbuch. Arndorf keine Form, sondern nur jede Menge Potenzial.

Biografische Anmerkung zu den Verfassern

Maria Hofer, 1987 in der Steiermark geboren, studierte Germanistik und Kunstgeschichte in Wien. Sie veröffentlichte u. a. Reportagen im VICEMagazin, literarische Texte in The Gap und im SORT-Magazin. 2017 sorgte sie mit dem Reisetagebuch über einen Marokko-Urlaub für Furore. Ihr Debutroman »Jauche« (Dahimène Edition) erschien 2015.Für »Arsen« erhielt sie den Literaturpreis »Schreiberei« der Steiermärkische Sparkasse 2023.