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  • Katja aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck empfiehlt:

    Katja ist Buchhändlerin in unserer Tyrolia-Filiale in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck und leidenschaftliche Leserin.

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  • Geheimnis der Rückkehr von Stephan Wackwitz

    In „Geheimnis der Rückkehr“ beschreibt Stephan Wackwitz in Form von „personal essays“ seine „Sieben Weltreisen“ – es ist ein intellektueller Genuss, dieses niveauvolle Bildungsmemoir zu lesen. Wir folgen dem Autor auf den Wegen, die er in der Welt im Auftrag des Goethe-Instituts zurücklegte. Dabei bestechen seine feinen Stadtbeschreibungen, ob es nun Tokio oder Krakau, New York oder Bratislava war, wo er Halt machte. Nicht nur Städte, sondern auch persönliche Begegnungen spielen eine Rolle sowie die Denker und Philosophen, die Stephan Wackwitz seit seiner Jugend prägten.
    Was mich an der Lektüre besonders gefesselt hat, ist das Bewusstsein, das der Autor wachzurufen vermag: Es gibt so viele Perspektiven auf das Leben, wie es fremde Gewohnheiten und Ansichten gibt, denn Wackwitz schreibt, „ dass es so viele Wahrheiten über die Welt gibt, wie sich Menschen auf ihr befinden“. Wenn er von „Rückkehr“ spricht, meint er ein „Geheimnis“, das uns alle angeht:
    „Das Geheimnis der Rückkehr liegt darin, dass niemand als derselbe oder dieselbe irgendwohin zurückkehrt. Aber auch darin, dass alle Ursprünge, kaum hat man eine Weile nicht hingesehen, sich unwiederbringlich entfernt haben von ihrer Ursprünglichkeit. Weggang und Rückkehr machen die Welt unberechenbar“, so der Autor in seinem Buch.
    Gerade im „Super Wahl-Jahr 2024“, wie es in den Medien großspurig angekündigt ist (aufgrund der nahenden EU-Wahlen im Juni und den Nationalratswahlen in Österreich im Herbst), ist es wichtiger denn je, sich eine eigene Meinung bilden zu können. Dazu regt das Buch an, denn Stephan Wackwitz selbst entpuppt sich zunächst als pietistischer, braver Schüler eines Konvents, der zum überzeugten Anhänger von Jung und Marx wird. Besonders die Gedanken des amerikanischen Philosophen Richard Rorty bringen einen Wendepunkt, da Wackwitz erkennt, dass er nicht mehr nach umfassenden, alles erklärenden Welterklärungen suchen muss. Nicht Letztbegründungen, sondern „ein immer größeres Repertoire alternativer Beschreibungen anzusammeln“, wird ihn fortan prägen. Er zeigt, wie wichtig die Lektüre von Denkern und die Begegnung mit Kunstschaffenden ist, dass es ganz und gar nicht stimmt, dass wir ohnmächtig den Dingen zusehen müssen. „Wir Kulturleute sollten aufhören, uns einzureden, wir wären ohnmächtig. Immerhin blicken wir gemeinsam und erstaunlich klar in die Abgründe unserer Zeit. Eine Zeit, in der wir mit unseren Mitbürgern Kämpfe ausfechten, von denen mancher meinte, dass sie längst ausgefochten seien (…) Die Liste des Unbehagens ist lang. Aber … das ist die gute Nachricht, wir schauen in diese Abgründe nicht allein. Wir sind nicht machtlos noch ohnmächtig“, schreibt etwa die zeitgenössische deutsche Intellektuelle Mely Kiyak. Und mit diesem erhellenden Gedanken möchte ich die kurze Einladung schließen, das „Geheimnis der Rückkehr“ zu wagen, denn zurückkehren bedeutet, sich in Beziehung zu setzen, wie dieselbe Intellektuelle schreibt: „Gesellschaft bedeutet in Beziehung zueinander zu leben. Die Vorstellung, dass immer das Gegenüber etwas verändern muss, damit man selbst zufriedener wird, ist ein sehr hilfloser Gedanke.“
    Die glänzenden Beobachtungen von Stephan Wackwitz treffen genau diesen Punkt: Aufbrechen und Wiederkehren bilden eine große Erzählung, die Ohnmacht und Hilflosigkeit besiegt: „Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein“ (Simone de Beauvoir).